MORAL UND ENGAGEMENT 2004 - Lohnt sich das?


Kulturkiosk Kanzler

Im Kulturkiosk Kanzler, 13. Februar 04




Lohnt Engagement? Am Freitag, 13. Februar 2004, versuchten die Teilnehmer des ersten Streitgesprächs der Veranstaltungsreihe "inventur 2004" von münchenPolis dies herauszufinden.

Als Experten waren zum dem Gespräch "Moral & Engagement 2004 – Lohnt sich das?" der Sozialpsychologe Professor Heiner Keupp von der Universität München und Brigitte Krenkers, Gesellschafterin des Omnibus für Direkte Demokratie in Deutschland (www.omnibus.org), geladen. Sie diskutierten untereinander und mit den rund vierzig weiteren Teilnehmern des Streitgesprächs.

Grundlage für das Gespräch bildete ein Eingangsreferat von Max Zeidler von münchenPolis. Er definierte Engagement als "freiwilliges Handeln im Hinblick auf die Gesellschaft". Nach dem so genannten "Freiwilligen Survey" von 1999 seien es in Deutschland rund 34 Prozent der Bevölkerung, die sich engagieren, das heißt in irgendeiner Form ehrenamtliche Arbeiten leisten, die über ein bloßes Aktivsein beispielsweise in einem Verein, Verband oder Initiative hinausgehen. Die meisten im Bereich Sport, sozial engagiert seien nur rund vier Prozent.



Im Gespräch v.l.: Max Zeidler, Brigitte Krenkers, Julia Schmitt-Thiel, Heiner Keupp



Warum engagiere ich mich?

Im Gegensatz dazu nannte Zeidler Zahlen aus den USA: Über 50 Prozent der Bevölkerung sind dort freiwillig für die Gesellschaft tätig. Hauptthema des Abends, der im Anschluss an das Eingangsreferat von den münchenPolis-Mitwirkenden Zeidler und Julia Schmitt-Thiel moderiert wurde, waren Gründe von Engagement, also die Frage: Warum engagiere ich mich?

Krenkers berichtete, sie habe sich in den achtziger Jahren aus einer existenziellen Betroffenheit heraus zu engagieren begonnen: Sie fühlte sich durch das Aufstellen der amerikanischen Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik bedroht und war daher dagegen. Zusammen mit Joseph Beuys und getreu dessen Motto "Jeder Mensch ein Künstler" versuchte sie, an der Idee einer "Sozialen Skulptur" mitzuarbeiten, in der jeder mit zur Gesellschaft beiträgt, und gründete den Omnibus für Direkte Demokratie. Seitdem setzt sie sich für bundesweite Volksabstimmungen ein.

Keupp, der sich auch in seiner Forschung mit dem Thema Engagement auseinandersetzt, erklärte, sein persönliches Engagement habe etwas mit dem Protest der 60er Jahr zu tun, an dem er als Student auch teilnahm. Keupps Motto, das dieser Zeit entstammt: "Das Private ist politisch." Seiner Meinung nach bestand ein enger Zusammenhang zwischen dem Engagement der protestierenden 68-Generation und zum Beispiel Willy Brandts Wahlkampf "Mehr Demokratie wagen". Weil sich die Studenten damals eben für mehr Demokratie engagiert hätten.


Engagement muss Spaß machen

Nicht zustimmen wollten beide Engagement-Experten der Behauptung von Zeidler, Engagement habe abgenommen. Krenkers sagte, es gebe immer mehr Volksabstimmungen, seit 1995 seien es allein 3.000 Bürgerentscheide in Bayern gewesen. Keupp sagte, es würden sich inzwischen mehr Leute engagieren als früher – nur laufe das Engagement nicht mehr in die bestehenden Institutionen wie Parteien oder Verbände. Wenn man sich engagiere, so Keupp weiter, müsse es sich für einen persönlich lohnen, Spaß machen, dem Ego dienen und sichtbar sein.

Als ein Teilnehmer aus dem Publikum behauptete, man engagiere sich sowieso nur aus reinem Egoismus, weil es sich ja immer für einen selbst lohnen müsse, entspann sich eine weitere spannende Diskussion über die Gründe von Engagement, bei der sich fast alle Teilnehmer darin einig waren, dass Visionen allein nicht reichen. Außerdem wurde an dem Abend festgestellt, dass Engagement zu einem gewissen Teil auch Luxus ist, weil sowohl zeitliche als auch finanzielle Ressourcen dafür notwendig sind, und dass – so sagte Keupp – nicht jede Art von Engagement gut sei, denn man könne sich ja auch für negative Dinge einsetzen.

Die Diskussionsrunde kam auch zu dem Schluss, dass das politische Konzept der "Bürger- oder Zivilgesellschaft" recht rudimentär als Hilfe zu Selbsthilfe gedacht ist, bei dem Bürgern bei der Lösung ihrer konkreten Probleme assistiert wird, als Beispiele wurden genannt: Kindererziehung, Psychiatrie-Erfahrene, Migranten mit Integrationsproblemen. Zur Bewältigung neuer kommender Problemlagen, verursacht durch die zunehmende Leistungsknappheit des Sozialstaats, wurde verwiesen auf die Möglichkeit der Entstehung von sozialen, gemeinnützigen Unternehmen.Weit auseinander gingen die Meinungen gegen Ende der Veranstaltung, als über die Mittel der direkten Demokratie diskutiert wurde. Krenkers vertrat die Meinung, dass eben alles mit Volksabstimmungen entschieden werden müsse. Viele waren dagegen, weil ja dann zum Beispiel auch die Todesstrafe wieder eingeführt werden könne.

Im Anschluss an die Diskussionsrunde unterhielten sich die Gäste noch lange bei Lounge-Musik und kühlen Getränken.


Autor: Nikolaus Roettger, münchenPolis