MIGRATION 2005 – mehr davon!?



Im Blauen Haus der Münchner Kammerspiele, 5. März 2005
Auf dem Podium v.l.: Julia Schmitt-Thiel, Alexander Thamm, Hülya Kandemir, Sedef Özakin, Dr. Ludwig Spaenle,
Prof. Dr. Berndt Ostendorf und Caroline von Lowtzow



Mit Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes Anfang 2005 ist die deutsche Politik in der Realität angekommen: Deutschland ist ein Einwanderungsland! So hat inzwischen jeder elfte Einwohner Deutschlands keinen deutschen Pass; in München beträgt der Ausländeranteil 23 Prozent. Menschen aus 180 Nationen leben in der bayerischen Hauptstadt zusammen unter weiß-blauem Himmel.

Diese Vielfalt der Nationen gilt es zu organisieren bzw. für ein gegenseitiges Verständnis zu werben. Eine Aufgabe, der der Münchner Think Tank münchenPolis bei seinem 6. Streitgespräch "Migration 2005 – mehr davon!?" nachkam. Die Moderatorinnen Caroline von Lowtzow und Julia Schmitt-Thiel empfingen am 5. März 2005 im Blauen Haus der Münchner Kammerspiele Prof. Dr. Berndt Ostendorf (Mitglied des Rates für Migration), Hülya Kandemir (Organisatorin der Demo "Muslime gegen Terror"), Sedef Özakin (Münchner Stadträtin der Grünen), Alexander Thamm (Bertelsmann Stiftung, Arbeitsgruppe Integration), Dr. Ludwig Spaenle (MdL, Mitglied der Projektgruppe "Muslime in Bayern") zu einer engagierten Diskussion.

Die zwei türkischen Vertreterinnen auf dem Panel, Hülya Kandemir und Sedef Özakin stellten bereits am Anfang des Gesprächs das zentrale Problem bei der eigenen Integration vor: Migranten in Deutschland werden als "Ausländer" definiert und behandelt. Entsprechend verhalten sich die Betroffenen dann auch: sie organisieren sich untereinander und pflegen sogar noch in der zweiten und dritten Generation die Unterscheidung in Türken, Bosnier oder Kroaten. Die Formulierung der persönlichen Identität findet quasi außerhalb Deutschlands statt; Integration wird dadurch verhindert. Wie kann dieser Teufelskreislauf durchbrochen werden?

Während Ludwig Spaenle dem Multikulturalismus eine Absage erteilte und stattdessen für ein kulturelles Miteinander plädierte, forderte Sedef Özakin die Öffnung der Behörden für Mitarbeiter mit Migrationshintergrund. Hülya Kandemir, nach Selbstaussage "eine bayerische Türkin im Dirndl und mit Kopftuch" betonte die Sprache als das A und O für eine erfolgreiche Integration. Durch Wissens-vermittlung werde zur Aufklärung und dem besseren gegenseitigen Verständnis beigetragen. Alexander Thamm erläuterte kommunales Engagement am Beispiel Stuttgarts. Hier sei die Integration von Migranten zur Chefsache erklärt worden und die Chancen, die sich aus einem Migrationszulauf auch für die Stadt ergeben in den Vordergrund gerückt.

 

 

Berndt Ostendorf fasste mit seinem Beitrag die Essenz des Abends pointiert zusammen: Am Beispiel der USA verdeutlichte er einen real gelebten Multikulturalismus. Hier bietet die Verfassung den Rahmen innerhalb dessen sich die Bürger frei bewegen können. Unterschiedliche Parallel-gesellschaften – wie Asiaten, Hispanics oder Afroamerikaner – existieren nebeneinander. Was diese Gesellschaft eint, ist ein übergeordneter amerikanischer Patriotismus. Auf Deutschland lässt sich dieses Konzept nicht ohne Weiteres übertragen, dennoch: Auch in München leben die verschiedenen ethnischen Gruppen innerhalb einer multikulturellen Gesellschaft zusammen. Angesichts der demografischen Probleme des Landes muss Zuwanderung in erster Linie als Chance begriffen werden, vor allem wenn man den Blickwinkel global erweitert: Weltweit lassen sich Migrations-bewegungen erkennen, die nicht unterschätzt werden dürfen und von denen ganze Arbeitsmärkte abhängen.

Migration 2005 – mehr davon!? Ein eindeutiges "Ja" ist die Antwort. Momentan halten sich in Deutschland Zu- und Abwanderung die Waage. Angesichts drängender demografischer Probleme ist es Aufgabe der Politik, Zuwanderung zu gestalten und zu fördern. Allerdings muss Zuwanderung einhergehen mit guter Integrationspolitik, die Migranten nicht nur auf dem Papier, sondern auch im Alltagsleben das neue Land zur Heimat werden lässt.


Autorin: Sabine Busse, münchenPolis